Drei Jahre nachdem Schreber erst 53-jährig gestorben war, gründete der Pädagoge Dr. phil. Ernst Innocenz Hauschild, Direktor der vierten Bürgerschule, zusammen mit Eltern einen Verein mit dem Ziel, einen Platz zu errichten, auf dem die Kinder den engen Mietskasernen entkommen und unter Aufsicht spielen konnten. Die Stadt teilte dem Verein ein
Stück Land zur Pacht zu, etwa zwischen dem Johannapark und der Lutherkirche gelegen. Als dieser erste Spielplatz im Mai 1865 eingeweiht wurde, nannte man ihn zu Ehren desjenigen, der körperliche Ertüchtigung an frischer Luft immer propagiert hatte, Schreberplatz. Später kam der Oberlehrer Karl Gesell auf die Idee, kleine Beete anzulegen, damit die Kinder sich neben dem Spielen auch mit der Natur und den Pflanzen befassen sollten. Nur verloren diese rasch die Lust am Gärtnern, wer mag schon arbeiten, wenn das Vergnügen lockt! Also übernahmen die Eltern die Beete und begannen, Gemüse anzubauen. Nach und nach wurden diese Parzellen eingezäunt, damit auch jeder die Früchte seiner eigenen Arbeit ernten konnte, und die ersten Gärten entstanden. Der Name wurde einfach beibehalten, und so gab es schon 1870 über einhundert Schrebergärten. Als die Stadt dem Verein das Gelände fünf Jahre später kündigte, weil es für den Straßenbau benötigt wurde, teilte sie ihm dafür die Fläche zu, auf dem sich der inzwischen unter Denkmalschutz stehende Kleingartenverein Dr. Schreber noch heute befindet.

   Das Beispiel machte Schule, und in vielen Großstädten entstanden Gartenkolonien, in Berlin boomte die Idee geradezu. Durch die steigende Wohnungsnot getrieben, wurden bald die ersten provisorischen Hütten errichtet, die später oft durch solidere Lauben ersetzt wurden. Diese dienten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht selten ganzen Familien als Notquartier, nachdem ihre Wohnungen ausgebombt worden waren.

   Auch wenn das Wort „Laubenpieper“ Berliner Ursprungs ist, so steht die Wiege der Laubenpieperbewegung doch in Leipzig. Heute ist fast jeder vierte Leipziger Bürger Mitglied in einem der 278 Kleingartenvereine der Stadt, deren Gesamtfläche mehr als 1240 Hektar beträgt. Und wenn man sich einmal das strenge Reglement der Kleingartenordnung anschaut, mit deren Ge- und Verboten die Nutzung und Bepflanzung der Parzellen noch heute akribisch vorgeschrieben ist, kann man darin durchaus eine Parallele zu den rigiden Ansichten und Methoden des Dr. Schreber sehen.
Portait des Dr. med. Daniel Schreber
Die Schrebergärten
In Leipzig steht die Wiege der Laubenpieper-Idee

   Wie ist eigentlich dieser Schreber auf die Idee mit den Kleingärten gekommen, mag sich mancher fragen, wenn er an einem warmen Sommernachmittag durch eine Gartenkolonie schlendert. Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht! Dr. med. Daniel Gottlob Moritz Schreber hat nie einen Schrebergarten gesehen, geschweige denn besessen, sie existierten zu seiner Zeit noch gar nicht.

   Vorläufer der Schrebergärten wie wir sie heute kennen, gab es schon Anfang des 19. Jahrhunderts, als Landgraf Carl von Hessen in Kappeln an der Schlei kleine Gärten anlegen ließ, um den Armen der Bevölkerung die Möglichkeit zum Anbau von Gemüse zu geben. Diese Armengärten wurden ihm zu Ehren Carlsgärten genannt. Nach diesem Vorbild entstanden in Leipzig, Berlin und Kiel ähnliche Anlagen. Die meisten dieser Flächen wurden aber bald wieder anderer Nutzung zugeführt - die wachsende Industrie brauchte Platz für Fabriken, nicht für die Armenfürsorge.

   Der Anfang des 19. Jahrhunderts geborene Daniel Schreber bereiste als junger Mann in der Funktion als Leibarzt eines russischen Fürsten drei Jahre lang verschiedene europäische Länder. Überall fiel ihm die durch die zunehmende Industrialisierung hervorgerufene Verelendung der Stadtbevölkerung auf. Insbesondere beschäftigte ihn die Situation der ganz jungen Menschen, die zum Teil schon vor dem heutigen schulpflichtigen Alter arbeiten und ihr Leben in engen, ungesunden Wohnungen verbringen mussten. Als Schreber in seine Heimatstadt Leipzig zurückkehrte, ließ er sich als Orthopäde nieder und wurde später Leiter der Orthopädischen Anstalt Leipzigs. Er widmete sich in erster Linie der Verbesserung der Lebensverhältnisse und der Lebensweise von Kindern und gründete, zusammen mit anderen, den ersten Turnverein Leipzigs. Seine Forderung nach körperlicher Ertüchtigung und regelmäßiger Gymnastik machte ihn zu einem Wegbereiter moderner Naturheilkunde - sein Buch "Die ärztliche Zimmergymnastik" wurde zum Bestseller - andererseits schoss er mit seinen radikalen Methoden in mancherlei Hinsicht über das Ziel hinaus. So entwickelte er diverse Gerätschaften, die dazu dienen sollten, Kinder in eine aufrechte Haltung zu zwingen, und testete diese an seinen eigenen Kindern. Die Ergebnisse dieser heute als „schwarze Pädagogik“ bezeichneten Erziehung mit dem Ziel, den Kindern ihren eigenen Willen zu nehmen, sprechen für sich. Einer seiner Söhne brachte sich im Alter von 38 Jahren um, der andere, Daniel Paul Schreber, erlangte traurige Berühmtheit mit dem Buch „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“, in dem er seine eigene schwere Psychose schildert. Dieses Buch diente Siegmund Freud als Basis seiner Theorie über die Paranoia.
Dr. med. Daniel Schreber
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